Maßstäbe gesetzt

Bogenberg: „Ensemble 4“ an der Orgel

Vierhändiges Klavierspiel an einem oder zwei Instrumenten hört der Musikfreund durchaus häufig, Klavierliteratur für das Spiel mit vier Händen ist ebenfalls nicht rar. Ganz anders ist die Situation beim vierhändigen Orgelspiel: Sehr wenige Orgelduos gibt es weltweit, auch Kompositionen für vierhändiges – und bei der Orgel natürlich auch vierfüßiges Orgelspiel sind, von Transkriptionen einmal abgesehen, dünn gesät. Eines dieser wenigen Ensembles ist in Straubing: das „Ensemble 4“ (sprich vier Fuß), Kathinka und Stefan Frank. Als Initiatoren des Orgelsommers auf dem Bogenberg, in welchem bereits eine Reihe international renommierter Interpreten auftrat, gaben die beiden Künstler nun selbst ein durchaus maßstabsetzendes Konzert in der gut besuchten Wallfahrtskirche.

Vierhändiges, vierfüßiges Orgelspiel wirft, wie Kathinka Frank einleitend ausführte, nicht einfach zu lösende Probleme auf. Der schmale, nur vier Oktaven umfassende Spieltisch, die, nur für einen Organisten konzipierte Orgelbank sind noch die am leichtesten zu lösenden Schwierigkeiten. Ein Organist schaut nicht auf die Pedale, er weiß, quasi automatisch, wo die Füße, die zu den Noten gehörenden Pedale sind. Nun, beim Duospiel nicht mehr in der Mitte sitzend, erscheinen die Pedale nicht mehr am „rechten“, eingeübten Platz, was natürlich stetes Umdenken erfordert. Demgegenüber stehen ungeahnte Möglichkeiten der Melodieführung, der Ausarbeitung der Themen, der Kombination von Klangfarben.

Die gespielten Werke waren, mit Ausnahme eines, von Mozart eigenhändig für Orgel transkribierten, ursprünglich für Streichquartett geschriebenen Adagio und Fuge, KV 546, Originalkompositionen für Orgel zu vier Händen, stilmäßig der Romantik und gemäßigten Moderne zuzuordnen. Hauptwerk des Spätnachmittages auf dem Bogenberg war eine umfangreiche, überaus differenzierte Komposition von Gustav Adolph Merkel (1827 – 1885). Den drei Sätzen sind der Psalm 42 im ersten und dritten Satz und der bekannte Psalm 23, „Der Herr ist mein Hirte“, im zweiten Satz, dem Adagio, zugrunde gelegt. Gustav Adolph Merkels Orgelsonate d-Moll op. 30 ist keine, wie angesichts ihrer Entstehungszeit eigentlich zu vermuten, Programmmusik, vielmehr fängt Merkel die durch die alttestamentalischen Texte initiierten Stimmungen überaus feinfühlig und differenziert ein. Ein weiteres, interessantes Werk waren die „Drei Skizzen“ von Andreas Willscher (geboren 1955).

Allgemein bekannt ist, dass bestimmten Klängen bestimmte Farben zugeordnet werden können. Es gibt sogar Musiker, welche diese „gehörten“ Farben sehen.

Andreas Willscher bezeichnete in seinen „Drei Skizzen“ die Farbkombinationen Gelb – Türkis – Schwarz, Grau – Silber – Blau und Grün – Gold – Orange. Das feinabgestimmte Spiel von Kathinka und Stefan Frank an der Rieger-Orgel ließ die Farben dezent, nie plakativ aufleuchten. Geheimnisvoll aus den Tiefen emporsteigend „The Emerald Isle“ von Charles Callahan (geboren 1951). Rasche Tempi des ersten Satzes gehen in einem melodiösen, bedächtigen Gesang bezwingender Schönheit über: die beiden Sätze der „Double Fantaisie“ von Jean Langlais (1907 bis 1991).

Kathinka und Stefan Frank zeigten große Orgelkunst. Die, bei Orgelduospiel so wichtige Präzision der Einsätze, die Aufteilung der Bereiche während der Stücke und die, keinesfalls nur musikalisch zu verstehende Harmonie der beiden Künstler ließen dieses Orgelkonzert zu einem, die Seele berührenden Erlebnis werden.

Theodor Auer

 Zeitungsbericht: Orgelkonzert mit Orgelduo Ensemble 4 Fuss