Konzert ließ aufhorchen

Ostbayerisches JugendorchesterEin glanzvolles Konzert bot das Ostbayerische Jugendsymphonieorchester in der barocken Pfarrkirche von Oberalteich. Foto: erö

„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, so ein Sprichwort. Die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven aufzuführen, ist tatsächlich ein Wagnis. Nicht nur Fallstricke spieltechnischer Art birgt dieses monumentale Werk in großer Zahl, auch bieten eine Vielzahl von Einspielungen weltbekannter Orchester über viele Jahrzehnte hinweg oftmals nicht ganz faire Vergleichsmöglichkeiten. Gegen diese Orchester interpretatorisch anzukämpfen, haben auch Berufsmusiker einen schweren Stand, vor allem wenn sie nicht imitieren, sondern die eigenen Gedanken verwirklichen wollen. So ist allein schon die Tatsache begrüßenswert, dass sich das Ostbayerische Jugendorchester in der Barockkirche in Oberalteich dieser Herausforderung stellte.

Leider wird Beethovens Neunte von der Allgemeinheit auf den letzten Satz, den Chorsatz aus Schillers „Ode an die Freude“,der auch Eingang in die europäische Hymne fand, reduziert. Und in oft katastrophaler Weise selbst in der Werbung missbraucht. Die wahren Schätze der 9. Sinfonie liegen jedoch in den drei vorangehenden Sätzen.

So ließ das Ostbayerische Jugendorchester bereits im 1. Satz, dem Allegro majestoso, aufhorchen: Prof. Walter Schreiber baute mit seinem Orchester ein, in sich geschlossenes Gemälde auf, ohne diesen Satz durch untergeordnete Aspekte zerfasern zu lassen. Die unabdingliche Detailtreue fügte sich bruchlos in die Gesamtheit der musikalischen Aussage ein. Die ausgewogenen Dynamiksprünge waren nicht, auf oberflächliche Wirkung bedachter Selbstzweck, vielmehr wohldosierter Motor der Kolossalität des 1. Satzes, dessen Bezeichnung „majestoso“ Prof. Walter Schreiber alle Bedeutung verlieh.

Nebenbei bemerkt: Von Ignoranten wird dieser 1. Satz manchmal als Schilderung eines Gewitters bezeichnet. In Wirklichkeit betrachtet dieser Satz jedoch das Existenzielle des Menschen. Den inneren und äußeren Bedrohungen steht der 3. Satz, das Adagio molto e cantabile gegenüber: Friedvoll, Hoffnung ausstrahlend entführt das Ostbayerische Jugendorchester das Publikum der voll besetzten Basilika von Oberalteich in eine andere Welt. Abweichend von der üblichen Sonatenform, schnell – langsam – schnell wählt Beethoven in den ersten beiden Sätzen schnell – schnell und dann erst im dritten Satz das langsame Adagio-Tempo.

Durch den großen Sprung des cantilenen Adagio zum Finale steigert der Komponist dessen Wirkung. Das Thema „Freude schöner Götterfunken“ (wobei strittig ist, ob Schiller nicht statt „Freude“ „Freiheit“ gemeint hat, dies aber wegen der Zensur nicht wagte) wird zunächst orchestral gespielt. Bedrohliche Stimmung des 1. Satzes keimt wieder auf, bis die Bassstimme verkündet: „O Freunde, nicht diese Töne, sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere.“

Der Chamer Chor „Lehra & Mehra“ mit den Solisten Sopran, Alt, Tenor und Bass, einstudiert durch Andreas Ernst, überraschte nicht nur durch die hohe Qualität der Frauen- und Männerstimmen, sondern besonders durch deren wohldurchdachte Differenziertheit und sehr deutliche Artikulation.

Die gefährliche Klippe dieses Satzes, die Doppelfuge mit den Themen „Seid umschlungen Millionen“ und dem Eingangsthema „Freude schöner Götterfunken“ meisterten die „Lehra & Mehra“ und die Solisten grandios mit klarer Verfolgbarkeit der Architektur des Stimmengeflechtes. Selten hörte man so großen Applaus in der Barockkirche von Oberalteich, ob der fantastischen Leistung des Ostbayerischen Jugendorchesters unter der Leitung von Prof. Walter Schreiber und des Chores „Lehra & Mehra“ mit seinen Solisten.


Theodor Auer

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