Barocke Vielfalt

Oberalteich: Neujahrskonzert

Niederbayerisches KammerorchesterFoto: Archivbild

Das diesjährige Neujahrskonzert des Niederbayerischen Kammerorchesters wurde wieder und wieder verschoben, bis es jetzt endlich als Herbstkonzert im Kulturforum Oberalteich auftauchte. Manche auf der Bühne trugen Maske: ein Anblick, an den man sich wohl nie gewöhnen wird. Dirigent Gerold Huber senior nutzte die Gelegenheit, im „Neujahrskonzert“ den Herbst aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ unterzubringen. Davor erwähnte er, dass das Neujahrskonzert zum Beginn von 2020 (!) zugleich das letzte Konzert des Niederbayerischen Kammerorchesters vor langer Pause war. Vor den Ausschnitten aus Händels „Wassermusik“ gab es vier, trotz aller Barock-Bindung, sehr kontrastierende Konzerte, alle Solisten dabei aus den Reihen des Kammerorchesters stammend. Es begann mit Vivaldis „Herbst“.

Sehr informativ war nicht nur der genaue Titel abgedruckt, sondern auch das dazu passende Sonett, möglicherweise von Vivaldi selbst gedichtet. So konnte man Zeile für Zeile verfolgen, welches Geschehen Vivaldi gerade in Töne fasst. Maximilian Berger spielte den Solopart schlank im Ton und mit feinnerviger Bogenführung. Franz Schnieringer glänzte im langsamen Satz mitdurchgehenden Achtelnoten der rechten Hand. Wer kann, der kann.

Telemann hat so viel komponiert, dass für jedes Instrument etwas dabei ist. So durfte Fritz Menzel auf seiner Viola beim Konzert in G-Dur beweisen, dass sein Instrument auch solistisch viel zu sagen hat und in seiner etwas tieferen Lage durch alle vier Sätze hindurch wohltuende Klänge verströmen kann. Und als wahrer Könner spielte er vor und nach seinem Solo auch als Tuttist im Orchester mit. Vor der Pause dann noch eines der berühmtesten Konzerte: das für zwei Violinen von J. S. Bach. Anna Kagerer und Heike Fischer spielten bestens aufeinander abgestimmt und wechselten sich bei den virtuosen Passagen gekonnt ab.

Im langsamen Satz dann dieses ruhig dahinfließende, atemgestützte Musizieren. Hier, wie bei allen Konzerten, begleitete das Kammerorchester aufmerksam. Dabei spielten immer wieder auch die Solisten mit. Es wurde vom agil, stets deutlich und unterstützend dirigierenden Gerold Huber souverän durch die Kontraste barocker Gestaltung geführt. Und auch der Einfluss der historischen Aufführungspraxis wurde immer wieder hörbar.

Nach der Pause zunächst einer dieser fast völlig aus dem Bewusstsein verschwundenen barocken Schätze: das Konzert für zwei Violoncelli und Orchester von Telemann. Fred Flassig und Manfred Pferinger harmonierten durchweg und ließen den Wunsch wach werden, dieses kleine Meisterwerk öfters zu hören. Aber es ist immer noch leichter, zwei gleichwertige Geigerinnen (Bach) zu finden als zwei gleichwertige Cellisten. Flassig und Pferinger machten perfekt vor, dass es geht. Und der nur mit Solisten und Continuo besetzte langsame Satz wurde zum ganz besonderen Kleinod.

Zum Schluss kamen ein Fagott, zwei Oboen (solistisch Hideki Machida) und zwei Hörner dazu, um den festlichen Schlusspunkt zu setzen. Großer Applaus. Das echte Neujahrskonzert 2022 wird der Sohn des Dirigenten dieses Jahres leiten.


Kristian Kuhnle

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