michael_lerchenberger_zeitungsfotoDer Schauspieler Michael Lerchenberg las Ludwig Thoma, hier mit der Harfenistin Marlene Eberwein von „crème duett“. (Foto: erö)

Michael Lerchenberg und Ludwig Thoma

Oberalteich: Schauspieler begeistert die Zuhörer im Kulturforum mit pikanter Lesung

Michael Lerchenberg, Schauspieler, Regisseur, Dozent. In seinen Rollen salbungsvoller Prälat in der Fernsehserie „Der Bulle von Tölz“ und Fastenprediger Bruder Barnabas. Bis 2010 durfte er den „Großkopferten“ auf dem Nockherberg die Leviten lesen, bis er irgendeinem Minister vermeintlich zu stark auf die Füße trat. Schade, war doch dieser nur einer aus Berlin! Da schoss, nicht nur gemessen an den Umständen seiner Zeit, 1867 bis 1921, Ludwig Thoma mit ganz anderen Kalibern! Im Kulturforum Oberalteich hielt Michael Lerchenberg eine pikant gewürzte Lesung über diesen, auch zu seiner Zeit bereits weit über Bayern hinaus „schwierigen Bayern“.

Doch der Abend entwickelte sich zu weit mehr als einer Lesung aus Werken Ludwig Thomas: Biografie, allbekannte Werke, Zitate aus seinen über 800 erhaltenen Briefen, Unbekanntes und Vergessenes verwob Michael Lerchenberg zu einem Gesamtkunstwerk schauspielerischen Vortrags. Auch in höchster stimmlicher Sprachakrobatik die Klarheit und Verständlichkeit der Sätze nie vergessend, gepaart mit perfekter Mimik ließ er die, teils real existierenden, teils fiktiven Gestalten aus Thomas Literaturschaffen lebendig werden. Da war die „Tante Frieda“ mit ihrer Fistelstimme und

dem bösartigen Mundwerk, die keifende Ehefrau des Abgeordneten Filser. Dessen Schriftverkehr mit dem Pfarrer, seiner Frau, die während der Zeit des „Regierens“ in München den heimischen Hof bewirtschaften musste und seinem Freund, welchem er die Wahrheit seines Lebens in München anvertraute, zählt zweifellos zu den köstlichsten Glanzpunkten aus dem Schaffen Ludwig Thomas. Vermeintlich derbe, bäuerliche Sprache, gegossen in kunstvolle Form. Die Zeit als Chefredakteur der, auch heute noch bekannten Satirezeitschrift „Simplizissimus“, für welche die bekanntesten damaligen

Schriftsteller schrieben, sprach Michael Lerchenberg an und zeigte in Zitaten aus diesen Heften eine ganz andere, bissige Seite Ludwig Thomas; weit jenseits der lustigen, harmlosen „Lausbubengeschichten“. Auch ein großer Schriftsteller ist einmal am Ende seiner Kreativität. Dieses „Burn-out-Syndrom“, wie man heute sagt, suchte auch Ludwig Thoma heim. Sein Witz, seine treffenden Nadelstiche an die Adresse von Politik und Doppelmoral wandelten sich in seinen letzten Lebensjahren um in bösartige Polemik gegen alles und jeden. Doch was bleibt ist ein Ludwig Thoma, dessen Prosa, Lyrik, Komödien und Satire in ihrer kraftstrotzenden und doch empfindsamen Sprache heute noch genauso in ihrem Spagat zwischen bissigem Ernst und Lustigkeit strahlen wie vor hundert Jahren.

Eine fantastische Idee, die Lesung von Michael Lerchenberg mit Musik aufzulockern. Das „crème duett“, Marlene Eberwein und Richard Köll, schuf durch seine Instrumentalkunst eine ideale Ergänzung zur Vortragskunst Lerchenbergs. Nicht

zuletzt die interessante Kombination so klanglich unterschiedlicher Instrumente wie der Harfe von Marlene Eberwein, Saxofon und Klarinette gespielt von Richard Köll bildete einen Kontext zur Persönlichkeit und dem Schaffen von Ludwig

Thoma sowie zur enormen sprachlichen Bandbreite von Michael Lerchenberg. Wer zu diesem Abend nicht in das Kulturforum Oberalteich kam, hat viel, wirklich viel versäumt!

Theodor Auer

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