Organist der Extraklasse

Bogenberg: Dr. Wilkes brillierte

Das ist Timing! Direkt aus Berlin kommend, 40 Minuten vor Konzertbeginn, ist er in der Wallfahrtskirche auf dem Bogenberg eingetroffen. Andrzej Mielewczyk, ursprünglich für das Orgelkonzert vorgesehen, musste aufgrund einer Verletzung absagen. Als Ersatz sprang kurzfristig Dr. Florian Wilkes, Organist an der Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin, ein. Doch der etwas negative Beigeschmack des Wortes „Ersatz“ ist bei Dr. Wilkes absolut fehl am Platz. Die Besucher auf dem Bogenberg erlebten einen Organisten der Extraklasse mit einem hochinteressanten Programm: Johann Sebastian Bach und Johannes Brahms!

Brahms, der Meister der sinfonischen Sätze und der Kammermusik, hat der denn auch für Orgel komponiert, wird sich mancher fragen. Doch der hat! Erste Vorstudien in seiner Jugendzeit und dann im Alter, kurz vor seinem Tod, einige Präludien und Fugen, vor allem aber Choralvorspiele hat er komponiert. Seine eigene, in den Sinfonien aber auch im Liedschaffen manifestierte Tonsprache, hat Brahms in Orgelwerken hinter sich gelassen, er orientiert sich an alten Meistern, besonders Bach. In feinsinniger, durchdachter Ausarbeitung präsentierte Dr. Florian Wilkes die unter dem Titel „Elf Choralvorspiele“ op. posthum 122 zusammengefassten relativ, wie bei Choralvorspielen üblich, kurzen Werke, die den Klangfarbenreichtum der Rieger-Orgel aufleuchten ließen.

Die „Pièce d’ Orgue, BWV 572, eine dreiteilige Fantasie von Johann Sebastian Bach, eröffnete das Orgelkonzert. Besonders hervorzuheben bei dieser Komposition der 1. Satz „Trés vitement“ mit seinen Echos und das fünfstimmige „Grave“. Für seine Bewerbung in Hamburg, die leider vergebens war, schrieb Johann Sebastian Bach die Fantasie und Fuge g-Moll BWV 542, wie Dr. Wilkes in seinem kurzen Vorwort ausführte. Eine der mutigsten, vor Bach nie gewagten Kompositionen der Orgelliteratur, wechselnd von Einstimmigkeit zur Mehrstimmigkeit durch unterschiedlichste Tonarten chromatisch schreitend.

Zum Abschluss des fulminanten Konzertes Bachs „Superhit“, die Toccata und Fuge d-Moll, BWV 565. Dr. Wilkes vermochte durch seine Kunst auch bei diesem allbekannten Werk neue, interessante Aspekte zu setzen. Bewundernswert bei allen Stücken dieses Orgelnachmittags, der in Zusammenarbeit mit dem Förderverein für Kultur und Forschung Bogen-Oberalteich veranstaltet wurde, die exakte Durchhörbarkeit der Stimmen im Spiel von Dr. Florian Wilkes. Selbst bei Fortissimo-Abschnitten mündete nichts in undefiniertem „Klangbrei“, alle Stimmen blieben in klarster Reinheit nachvollziehbar.

Theodor Auer

Zeitungsbericht: Orgelkonzert von Dr. Florian Wilkes