Höchst niveauvoll

Gerold Huber jun.Bild 1: Pianist Gerold Huber jun. brillierte mit dem Klavierkonzert in G-Dur von Ludwig van Beethoven. (Foto: erö)

Lyrik oder Prosa, der geschriebene Text bildet nur das Grundgerüst, Energie, Spannung wird dem Geschriebenen erst verliehen, wenn die Wörter ausgesprochen werden. Selbst aufrüttelnde Gedanken verfliegen ungeachtet, werden die Sätze monoton heruntergeleiert; welche Fülle an Leben wird ihnen verliehen, werden sie beispielsweise von einem Schauspieler vorgetragen. Viel mehr noch trifft dies auf die Musik zu. Der Notentext kann nur das Skelett sein, Geist und Sinn wird einer Komposition erst durch die Interpretation geschenkt.

Unterschiedlichste Auffassungen lassen sich besonders an großen Werken der Musikliteratur nachvollziehen, wurden diese doch von einer Vielzahl bedeutender Künstler auf Tonträger eingespielt oder lassen sich nicht selten live erleben. Das dritte, vierte und fünfte Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven gehören zu jenen, weit über ihre Epoche hinaus reichenden, wegweisenden Werken die zwar in erster Linie den Geist des Komponisten widerspiegeln, jedoch auch den Interpreten weitem Raum lassen, eigene Gedanken, eigenes Verstehen in ihre Interpretation einfließen zu lassen, natürlich ohne den geschriebenen Notentext zu verlassen.

Simon TischlerBild 2: Mit Arien aus der Zauberflöte und aus Don Giovanni begeisterte der Bassbariton Simon Tischler. (Foto: erö)

Von einem, mit internationalem Renommee bedachten Pianisten wie Gerold Huber jun. durfte das Publikum des Neujahrskonzertes des Fördervereins für Kultur und Forschung Bogen-Oberalteich nicht nur eine durchdachte, technisch auf höchstem Niveau gespielte Interpretation des 4. Klavierkonzertes von Ludwig van Beethoven erwarten, sondern darüber hinaus die für Beethoven typische Vereinigung logischer Notwendigkeiten und gefühlsbetonten Erzählens mit der er, besonders in den langsamen Sätzen bereits der Epoche der Romantik vorgriff. Huber jun. erfüllte weit mehr als diese Erwartungen: Die meisterhafte Verbindung von extrovertiertem Ausdruck und in sich gekehrtem, intimen Gesang des Klaviers brachte tiefe Schichten Beethovenscher kompositorischer Kunst ins Bewusstsein der Hörer im voll besetzten Saal des Kulturforums Oberalteich. Wer dieses Orchester des öfteren erleben durfte, durfte vom Niederbayerischen Kammerorchester hervorragende Leistung erwarten. Doch bei diesem Neujahrskonzert übertrafen sich die Musikerinnen und Musiker selbst. Voll und ganz gingen sie, unter der bewährten Leitung von Oliver Tardy, auf die Intentionen Gerold Huber jun. ein, verbunden mit größter Exaktheit des Zusammenspiels.

Auch bei, in Anführungszeichen „leichten“ Werken, wie Mozarts „Linzer Sinfonie“ KV 425 ist akribische Genauigkeit unerlässlich, soll der heitere, sorglose Charakter dieser Sinfonie nicht gestört, ja zerstört werden. Wie in der Sinfonie KV 385, genannt „Haffner Sinfonie“ sind die Reminiszenzen an Mozarts Freund Joseph Haydn unüberhörbar. Ein wohlüberlegter Einstieg in das Jahr 2015, welcher die Schönheiten des Seins heraufbeschwören soll. Das Niederbayerische Kammerorchester schälte die heiteren Seiten des Lebens mit der „Linzer Sinfonie“ in besonderer Weise hervor. „Der Vogelfänger bin ich ja“, „Ein Mädchen oder Weibchen wünscht Papageno sich“, wem sind diese „Hits“ aus Mozarts „Zauberflöte“ nicht geläufig?

Simon Tischler sang Arien mit seiner sehr guten Tenorstimme mit der Sangesfreude und Unbekümmertheit, wie es in Mozarts Absicht lag. Die beiden Arien „Ah pietà, Signori miei“ und das berühmte „Madamina“, beide aus Mozarts Oper „Don Giovanni“ versah Simon Tischler mit der ausgeklügelten Mischung von Ernst und Heiterkeit, wie es diese Oper mit ihrem tragischem Ausgang erfordert.

Das Neujahrskonzert im Kulturforum Oberalteich, war mit Gerold Huber jun., Simon Tischler und dem Niederbayerischen Kammerorchester unter Oliver Tardy ein höchst Niveauvoller Einstieg in das Jahr 2015!

Theodor Auer

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