Sternstunde: „Orient trifft Okzident“

Oberalteich: Dialog in der Sprache der Musik geführt – Große Ausdruckskraft

Orient trifft Okzident 1Bild 1: Hermann Seitz dirigierte das Ostbayerische Jugendorchester und den Chor aus Amaan. (Fotos: erö)

Die Betonung des Konzertes des Bayerischen Jugendorchesters mit dem Titel „Orient trifft Okzident“, Morgenland trifft Abendland, lag auf dem Wort „trifft“. Treffen darf nicht mit Aufeinandertreffen in Sinne von Konfrontation verwechselt werden, letzteres ist mehr für einfach strukturierte Geister, treffen bedeutet, den Anderen kennenlernen, in seine Gedankenwelt einzudringen, dadurch ihn zu verstehen. War früher der Orient, der Nahe Osten am „Ende der Welt“, so ist er heute greifbar nahe; ein Grund mehr, sich im wahrsten Sinne des Wortes zu „treffen“.

Orient trifft Okzident 2Bild 2: Der jordanische Komponist und Sänger Rebal Al-Khodari gründete den Chor aus Amaan.

Einen interessanten Weg, sprachliche Hürden zu überwinden, fand das Ostbayerische Jungenorchester unter der Leitung von Herrmann Seitz in der Basilika Oberalteich mit einem Dialog in der Sprache der Musik. Als Gäste hatte das Orchester den Amaan-Chor aus Jordanien mit seinem Leiter und Sänger Rebal Al-Khodari und die libanesische Sängerin und Komponistin Lara Molaeb geladen.

Treffen bedeutet aufeinander zugehen, so beschränkte sich der Amaan-Chor nicht auf arabische Liedkunst, sondern begab sich mit dem Gelehrten und Weltreisenden Ibn Battuto aus dem 14. Jahrhundert auf eine Reise, die dieser Forschungsreisende aus Marokko zu seiner Zeit nicht besuchte, und adaptierte die frühe Musik Deutschlands, Spaniens, auch Chinas.

Orient trifft Okzident 3Bild 3: Die Sängerin Lara Molaeb aus dem Libanon begeisterte mit arabischen Liedern.

Der Chor nahm auf diese Weise aus jedem, musikalisch bereisten Land ein Lied mit und ließ Lieder in Arabisch im Stil, wie sie im Mittelalter geklungen haben mögen. Dieser Austausch beschränkte sich nicht auf Chormusik, Lara Molaeb sang mit einfühlsamer, ausdrucksvoller Stimme eigene Lieder in arabischer Sprache von Liebe, aber auch von der Situation die derzeit in Syrien herrscht: „Wie konnte die Dunkelheit das Licht erdrosseln? Wie konnte das Wasser sich zu Feuer verwandeln. Schlaf Baby, bleib schläfrig, träume schöne Träume, wenn du aufwachst und siehst, was geschieht, wirst du geschockt sein, dass überall in Syrien Blut ist!“ Klanglich interessant das Zusammenspiel der Oud, ein arabisches Instrument zur Familie der Lauten gehörend, und Streichinstrumenten aus unserem Kulturkreis. Auch hier wieder dieses überschreitende aufeinander Zugehen in der allumfassenden Sprache der Musik.

Orient trifft Okzident 4Bild 4: Der junge Oud-Spieler mit einem Teil des jordanischen Chors.

Ein Klanggemälde aus sanften Pastelltönen, durchzogen von grellleuchtenden Farbblitzen die „Petite Suite“ von Claude Debussy. Klangliche Farbschattierungen, die einen stetig vorwärtsströmenden Fluss entstehen lassen, in dem sich Licht und Farben, mal deutlich, mal schemenhaft, spiegeln.

Herrmann Seitz hat mit seinem Ostbayerischen Jugendorchester dieses Debussy typische Kolorit in feinsinnigster Weise getroffen. In meinen Gedanken begann ich schon nach den ersten Takten der 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven einen Verriss über die Interpretation durch das Jugendorchester zu formulieren, doch dann kam die große Überraschung: Nach dem ersten Drittel des ersten Satzes legte das Orchester einen „roten Schalter um“.

Was am Anfang doch sehr undifferenziert, unakzentuiert, ganz und gar nicht Beethovenscher Kompositionsart entsprach, verwandelte das Ostbayerische Jugendorchester nun in einen energiegeladenen, klardifferenzierten Vulkanausbruch von großer Ausdruckskraft. Sicher wird dieses Konzert des Amaan-Chores aus Jordanien und vom Ostbayerischen Jugendorchester, Orient trifft Okzident, als Sternstunde in Oberalteich in Erinnerung bleiben.

Theodor Auer


pdfZeitungsbericht: Sternstunde: „Orient trifft Okzident“